Am vergangenen Sonntag fand wie jedes Jahr die Zeremonie zum Volkstrauertag am Brander Ehrenmal statt.
Lesen Sie hier die Rede unseres Vorsitzenden Karl Scheider:
Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,
liebe Freundinnen und Freunde der Demokratie, liebe Branderinnen und Brander,
wir haben uns heute hier am Brander Mahnmal für die Opfer der Kriege versammelt, um derjenigen zu gedenken, die durch die Schrecken der Kriege ihr Leben verloren haben. Der Volkstrauertag ist ein Tag der Trauer, des Erinnerns, aber auch des Nachdenkens über unsere Verantwortung für Frieden, Freiheit und Demokratie. Wir richten einen Blick auf die Vergangenheit, auf das zur Trauer Anlass gebende Geschehene, den Tod und das Leid der Opfer, um daraus einen Blick in die Zukunft zu gewinnen, der sich aus Hoffnung und Vernunft zusammensetzt, in denen das Vergangene verarbeitet wird.
Es ist kein einfacher Tag – und dennoch wollen wir ihm ein hoffnungsvolles, zuversichtliches Wort verleihen.
In diesem Jahr gedenken wir nicht nur der Opfer des Ersten und des Zweiten Weltkriegs. In Aachen und in ganz Deutschland erinnern wir uns auch an die Ereignisse vor 80 Jahren, als Aachen im Oktober/Herbst 1944 die erste deutsche Großstadt war, die von den alliierten Truppen befreit wurde. Aachen wurde von amerikanischen Soldaten, unterstützt von mutigen Widerstandskämpfern, aus der Gewalt des nationalsozialistischen Regimes befreit. Diese Befreiung war ein Moment des Neuanfangs, eine Chance für Frieden und Demokratie – Werte, die wir seither zu verteidigen gelernt haben.
Doch auch heute – 80 Jahre nach der Befreiung Aachens – erleben wir erneut, wie zerbrechlich Frieden und Demokratie sind.
Der Krieg in der Ukraine, der seit nunmehr fast drei Jahren das Herz Europas erschüttert, zeigt uns, dass die Freiheit nicht selbstverständlich ist. Er dauert mit einer völlig ungewissen Aussicht auf ein Ende an und hat bisher zahllose Opfer und unsagbares Leid gefordert. Das hat uns verändert und vor veränderte Herausforderungen gestellt.
Nach vielen Jahrzehnten mit Frieden in Europa ist unsere Zukunft wohl mehr in Gefahr, als wir uns vorstellen mögen.
In diesem Jahr ist es noch einmal um andere Dimensionen schlimmer geworden. Auch in Israel und Palästina haben sich die Spannungen in jüngster Zeit dramatisch verschärft.
Seit nämlich die Hammas im Nahen Osten ein ungeheuerliches Massaker unter seinen Nachbarn anrichtete und sich ein kriegerischer Gewalt-Konflikt entzündete, der einem großen Pulverfass gleichkommt, ist die Welt ein weiteres Mal nicht wie vorher. Diese Krisen machen uns schmerzhaft bewusst, dass der Weg zum Frieden nicht einfach ist und oft von Rückschlägen begleitet wird.
Aber genau deshalb ist der Volkstrauertag so wichtig. Wir gedenken der Opfer der Kriege, um die Lehren der Vergangenheit wachzuhalten. Doch unser Blick darf nicht nur rückwärtsgewandt sein. Wir müssen auch nach vorne schauen – auf die Zukunft, die wir gestalten können. Die Opfer der Kriege rufen uns auf, für den Frieden zu arbeiten, Konflikten vorzubeugen und uns für den Schutz der Menschenwürde einzusetzen. Sie rufen uns auf, die Demokratie zu verteidigen.
Hier an diesem Mahnmal gedenken wir all derjenigen, die in den Kriegen und durch Gewalt gestorben sind. Aber wir gedenken auch der Menschen, die heute in der Ukraine, in Israel und Palästina ihr Leben verlieren. Und wir wissen, dass Frieden nur durch Dialog, gegenseitigen Respekt und das Streben nach Verständigung möglich ist.
Ich glaube fest daran, dass wir aus der Geschichte lernen können. Der Zweite Weltkrieg hat uns gezeigt, wie zerstörerisch Hass und Intoleranz sind. Doch die Befreiung Aachens vor 80 Jahren hat uns auch gezeigt, dass es Hoffnung auf einen Neuanfang gibt, wenn Menschen für Freiheit und Gerechtigkeit einstehen. Diese Hoffnung, dieser Glaube an eine bessere Zukunft, begleitet uns auch heute.
Wir dürfen nicht verzweifeln. Gerade in Zeiten der Unsicherheit, wie wir sie heute erleben, müssen wir uns an den demokratischen Werten festhalten, die in Europa und in Deutschland nach dem Krieg erkämpft wurden. Demokratie ist nicht perfekt, aber sie ist der einzige Weg, der uns langfristig den Frieden sichern kann. Es liegt an uns, unsere demokratischen Strukturen zu stärken und gegen die Kräfte zu verteidigen, die diese bedrohen.
Hier in Aachen, an diesem historischen Ort, ist es unsere Pflicht, wachsam zu bleiben. Aachen ist vor 80 Jahren zu einem Symbol für die Möglichkeit des Friedens geworden – und es kann auch heute ein Ort sein, an dem wir die Werte der Demokratie und des friedlichen Miteinanders verteidigen. Wir können in den aktuellen Krisen unserer Zeit nur bestehen, wenn wir den Mut haben, für den Frieden einzutreten, auch wenn der Weg dorthin oft lang und beschwerlich ist.
Die Erinnerung an die Schrecken des Krieges und die Verpflichtung, die sich daraus ergibt, tragen wir in uns. Doch wir tragen auch die Hoffnung in uns. Die Hoffnung, dass in der Ukraine und in Israel eines Tages Frieden einkehren wird. Die Hoffnung, dass unsere Kinder und Enkel in einer Welt aufwachsen können, die von Respekt und Freiheit geprägt ist. Diese Hoffnung muss unser Antrieb sein.
Lassen Sie uns heute am Volkstrauertag die Vergangenheit nicht nur betrauern, sondern uns auch an das erinnern, was möglich ist: Frieden, Freiheit und Demokratie und es liegt an uns, sie heute und in Zukunft zu schützen.
In diesem Sinne wünsche ich uns allen die Kraft und den Mut, den Frieden zu fördern, die Demokratie zu verteidigen und mit Zuversicht in die Zukunft zu blicken.
Karl Scheider, Vorsitzender des Bürgervereins, Volkstrauertag 17.11. 2024